Steigende Bauhöhen von Windenergieanlagen führen immer häufiger zu Konflikten mit der Luftfahrt – Nefino untersucht Einfluss von Mindestradarführungshöhen auf Windenergieausbau und bindet Forschungserkenntnisse in Flächenanalyse-App Nefino-LI ein

„Mit zunehmender Bauhöhe von Windenergieanlagen kommt es immer häufiger zu Konflikten mit der zivilen und militärischen Luftfahrt. Bei mehr als jedem dritten Windenergieprojekt in Deutschland wird es allein durch sogenannte Mindestradarführungshöhen zu erheblichen Bauhöhenbeschränkungen kommen. Dies betrifft ebenso Repowering- wie Greenfieldprojekte.“

Mit dieser Aussage bringen Marisa von Babka-Gostomski, Henrik Wielert und Dr. Jan-Hendrik Piel die aktuelle Situation vieler europäischer Windenergieprojekte auf den Punkt. Die Mitarbeiter von Nefino haben anlässlich der diesjährigen WindEurope-Konferenz in einem Forschungsprojekt untersucht, welchen Einfluss durch die Luftfahrt verursachte Restriktionen auf die Projektierung und das Repowering von Windenergieanlagen (WEA) haben.

Repowering durch vertikale Mindestabstände eingeschränkt

Dass viele Windparks in Europa zunehmend auf ihr Lebensdauerende zusteuern, ist innerhalb der Windenergiebranche längst keine Neuigkeit mehr. Während schon jetzt Anlagen mit einer Leistung von mehr als 14GW in der europäischen Windflotte über 20 Jahre alt sind, werden es im Jahr 2030 bis zu 78GW sein. Veraltete Windenergieanlagen sind dabei deutlich weniger ertragreich als moderne Modelle und blockieren etablierte, oft besonders windhöffige Standorte.

Um die bestehenden Windenergiestandorte weiter nutzen zu können, stellt Repowering, also das Ersetzen alter WEA durch leistungsstärkere neue Anlagen in der Theorie eine vielversprechende Option dar. Doch wie die Forscher in ihrer wissenschaftlichen Arbeit aufzeigen, ist Repowering zwar dringend notwendig, in der Praxis derzeit aber oft nicht möglich.

Hierfür sind in erster Linie restriktive horizontale Mindestabstände von Windenergieanlagen zu umliegenden Siedlungsgebieten und Einzelwohnhäusern verantwortlich. Diese Mindestabstände für WEA bemessen sich häufig anhand der Gesamthöhe, also Nabenhöhe plus der Hälfte des Rotordurchmessers. Mit zunehmender Höhe gelten folglich auch größere Mindestabstände. Seit Inbetriebnahme der heutigen End-of-Life-Windenergieanlagen hat die Gesamthöhe nachfolgender Anlagengenerationen deutlich zugenommen. Während die durchschnittliche Gesamthöhe von allen im Jahr 2001 in Deutschland errichteten Windrädern 106,3 Meter betrug, lag diese 2021 bereits bei 206,7 Metern. WEA der neusten Generation sind bis zu 260 Meter hoch, Tendenz steigend.

Neben horizontalen Mindestabständen, wie den bekannten zu Siedlungsgebieten, ist die Errichtung moderner Windenergieanlagen aufgrund ihrer zunehmenden Gesamthöhe immer häufiger auch durch vertikale Mindestabstände bedroht. Unter vertikalen Mindestabständen verstehen wir hierbei Bauhöhenbeschränkungen für neue WEA, die sich aus Belangen der zivilen und militärischen Luftfahrt ergeben. Verantwortlich hierfür sind insbesondere das militärische Nachttiefflugsystem, das die Bauhöhe von Windrädern auf 213 Meter über Grund beschränkt, sowie die sogenannte Mindestradarführungshöhe (Minimum Vectoring Altitude, MVA).

Die MVA ist die niedrigste Höhe über Normal Null (NN), die für die Radarführung von Flügen unter Instrumentenflugbedingungen unter Berücksichtigung einer Sicherheitsmindesthöhe und der Luftraumstruktur genutzt werden kann. Mithin gewährleistet die MVA, dass die Hindernisfreiheit von 1000 Fuß über dem höchsten Hindernis im Umkreis von 8 km sichergestellt ist (Quelle: Militärisches Luftfahrthandbuch).

Die in einem Untersuchungsraum relevante MVA wird in festgelegten Gebieten definiert. Diese Gebiete werden von den zivilen und militärischen Luftfahrtbehörden festgelegt und sind in den jeweiligen Luftfahrthandbüchern verzeichnet.

Forschung zu Bauhöhenbeschränkungen durch MVA-Gebiete

Unsere Projektmanagerin Marisa von Babka-Gostomski, Research and Sales Manager Henrik Wielert und Co-Founder Dr. Jan-Henrik Piel haben das wachsende Problem der Bauhöhenbeschränkungen in MVA-Gebieten am Beispiel der deutschen Onshore-Windflotte genauer untersucht, um mit konkreten Zahlen und durch Visualisierung die Notwendigkeit einer frühzeitigen Lösung der Konflikte zwischen Luftfahrt und Windenergie im Hinblick auf die MVA zu verdeutlichen.

Dafür digitalisierten die Forscher sowohl das zivile als auch das militärische Luftfahrthandbuch. Neben dem oben genannten Nachttiefflugsystem konnten hierbei diverse weitere Luftfahrtrestriktionen in Form von Geodaten erarbeitet werden, u.a. Bauschutzbereiche um Flughäfen und Fliegerhorste, Platzrunden von Flugplätzen, Segel- und Modellflugplätze, Flugsicherungs- und Luftverteidigungsradare sowie die hier im Detail betrachteten MVA-Gebiete.

Die gewonnenen Daten zu Bauhöhenbeschränkungen in MVA-Gebieten wurden vektorisiert und anschließend mittels eines Algorithmus in Rasterdaten konvertiert. In einem nächsten Schritt teilten die Forscher die Höhendaten in 10-Meter-Intervalle ein. So lassen sich die unterschiedlichen Bauhöhenbeschränkungen grafisch darstellen und es wird ersichtlich, wo in Deutschland welche maximal zulässige Bauhöhe für Windenergieanlagen unter MVA-Gebieten gilt. Relevant sind dabei Beschränkungen für Bauhöhen zwischen 150 und 260 Metern. Eine maximal zulässige Höhe von 150 Metern wurde als untere Grenze der Auswertung herangezogen, da Windenergieanlagen in dieser Höhe an küstennahen Standorten wirtschaftlich betrieben werden können. Die untersuchte maximale Höhengrenze liegt bei 260 Metern, da Windenergieanlagen der neuesten Generation etwa diese Höhe erreichen.

Diese beispielhafte Grafik verdeutlicht, wie die konkrete Darstellung der Restriktionen verursacht durch MVA-Gebiete aussieht. Schon aus diesem Ausschnitt wird ersichtlich, wie weitreichend die Einschränkungen für geplante Windenergieprojekte sein können.

Ein Drittel Deutschlands von Bauhöhenbeschränkungen für Windenergieanlagen betroffen

Die von den Forschern mittels eines Geoinformationssystems durchgeführte Analyse der MVA-Restriktionen zeigt auf, dass in vielen Gebieten Deutschlands Bauhöhenbeschränkungen für Windenergieanlagen durch Mindestradarführungshöhen hervorgerufen werden. Deutsches Staatsgebiet ist insgesamt zu 15,39% von militärischen MVA-Gebieten bedeckt, die zu Bauhöhenbeschränkungen von 260 Metern oder weniger führen. Ein wesentlich größerer Teil wird von zivilen MVA-Gebieten überlagert. Durch eine höhere Anzahl an zivilen Flughäfen bedecken diese insgesamt ein Drittel der Fläche Deutschlands mit oben genannten Bauhöhenbeschränkungen.

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, ist 0,71% der Fläche Deutschlands von Bauhöhenbeschränkungen bis 150 Meter durch militärische MVA und 1,73% von Bauhöhenbeschränkungen durch zivile MVA betroffen.

Anders verhält es sich bei Standorten mit Bauhöhen von bis zu 250 m, wo 11,57 % der Fläche Deutschlands von militärischen MVA-Gebieten und 24,17 % von zivilen MVA-Gebieten betroffen ist.

Während also Gebiete mit einer Bauhöhenbeschränkung von bis zu 150 Metern nur einen kleinen Teil der Gesamtfläche Deutschlands ausmachen, sind für Windenergieanlagen relevante Bauhöhen zwischen 150 Metern und 260 Metern zunehmend stark von Restriktionen durch MVA-Gebiete betroffen.

Aus den Forschungsergebnissen geht hervor, dass großflächige Bauhöhenbeschränkungen in MVA-Gebieten das Repowering sowie den Bau neuer WEA zunehmend beeinträchtigen werden, da deren Gesamthöhe stetig zunimmt. Diese Entwicklung wirkt sich auch auf die verschiedenen Akteure der Windenergiebrache aus: So müssen Projektentwickler mit einer steigenden Zahl an Konflikten mit der Luftfahrt während der Genehmigungsverfahren rechnen.

Zudem stellen Luftfahrtrestriktionen eine wachsende Herausforderung im Planungsprozess von WEA dar, denn die Einbindung der zivilen und militärischen Luftfahrtplanungsbehörden in das Genehmigungsverfahren für neue Windenergieanlagen erfolgt aktuell oftmals erst zu einem späten Zeitpunkt im Planungsprozess. So kann eine fortgeschrittene Projektierung durch Bauhöhenbeschränkungen erheblich beeinträchtig werden. Aus Sicht eines Projektentwicklers für Windenergieanlagen in Deutschland ist es von immer größerer Bedeutung, frühzeitig über etwaige Konflikte mit der zivilen und militärischen Luftfahrt informiert zu sein.

Darüber hinaus bedeutet eine steigende Anzahl an Konflikten dieser Art auch eine Verlangsamung der dringend notwendigen Energiewende. Wie anfangs erwähnt handelt es sich bei der zunehmenden Anzahl an Windparks mit Repoweringbedarf nicht nur um eine deutschlandweite, sondern eine europaweite Herausforderung. Durch den internationalen Charakter des regulatorischen Rahmens um die Luftfahrt und MVA, lassen sich die hier beschriebenen Forschungsergebnisse gut auf umliegende Länder übertragen.

Bauhöhenbeschränkungen in Flächenanalyseapp Nefino.LI Geo abrufbar

Seit unserer Gründung im Jahr 2018 entwickeln wir bei Nefino innovative Lösungen für die Digitalisierung des Erneuerbare-Energien-Marktes. Dabei liegt der Fokus unserer Arbeit auf der Umsetzung eines effizienten Forschungstransfers aus der Wissenschaft in die Praxis.

Auch unsere Forschungserkenntnisse zu den hier dargestellten MVA-Gebieten tragen zur Erweiterung unseres Angebots bei. Mit unserer Flächenanalyse-App Nefino.LI Geo ist es möglich, deutschlandweit hochgradig genaue Analysen potenzieller Windenergie- oder Photovoltaikstandorte selbstständig durchzuführen. Neben diversen weiteren Flächenrestriktionen wie beispielsweise horizontalen Mindestabständen zu Siedlungs- und Naturschutzgebieten umfasst Nefino.LI Geo auch alle relevanten vertikalen Mindestabstände – also Luftfahrtrestriktionen. So kann ein Standort schon zu Beginn der Projektierung von Windenergieanlagen auf etwaige Bauhöhenbeschränkungen hin geprüft werden.

Derzeit arbeiten wir an einer Ausweitung unserer Leistungen auf ganz Europa. Unsere Motivation ist es, durch Innovationen exzellente Lösungen im Bereich der erneuerbaren Energien bereit zu stellen.